Silberlilly beim Lichterfest – Ein Lichtblick mit Botschaft

Am Samstag, den 19. Juli, verwandelte sich Bad Krozingen wieder in ein funkelndes Lichtermeer – das alljährliche Lichterfest zog zahlreiche Besucherinnen und Besucher in den Kurpark. Mitten im bunten Treiben: die Silberlilly – ein liebevoll gestalteter Bauwagen, der nicht nur optisch ein Highlight ist, sondern auch inhaltlich zum Nachdenken und Mitmachen einlädt.

Doch was genau ist die Silberlilly? Wofür steht sie? Und was ist ihre Absicht?

Antworten darauf gaben Oliver Zulauf, Diakon im Schuldienst und langjähriges Mitglied im Team „Silberlilly“, sowie Franzi Grausam, Jugendreferentin und neues Teammitglied. Gemeinsam bringen sie mit der Silberlilly kreative Impulse, offene Begegnungen und spirituelle Angebote dorthin, wo Menschen sind – mitten ins Leben.

Mehr über die Idee hinter der Silberlilly und ihre Wirkung beim Lichterfest erfahren Sie hier, im Interview, das ich, Miriam Ebner (Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit), freundlicherweise mit meinen beiden Kolleg*innen führen durfte.


Miriam Ebner: Hallo Oli, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst, ich freue mich sehr.

Oliver Zulauf: Danke, Miriam, ich freue mich auch. Schön, dass du da bist!

ME: Wie beschreibst du die Silberlilly mit drei Begriffen?

OZ: Begegnung. Fremde Menschen. Spannung.
Du hast es vielleicht auch gesehen, man kommt mit total unterschiedlichen Menschen in Kontakt und sie sind sehr interessiert, was wir hier machen. Und keiner sagt „Wie? Ihr seid von der Kirche? Was wollt ihr?“ So ungefähr, sondern sie sagen alle: „Hey, total spannend!“ Und deswegen wäre der dritte Begriff „Spannung“.

ME: Das ist ja eine positive Überraschung, denn ich mache eigentlich ständig die Erfahrung, dass die Menschen eher (negativ) überrascht reagieren, wenn ich z.B. erzähle, dass ich bei der Kirche arbeite. Häufig kommen Reaktionen wie „Echt jetzt??“ oder auch „Ah du bist noch in der Kirche? Wir sind schon lange ausgetreten.“ oder so ähnlich.

OZ: Also hier ist die Resonanz bisher sehr positiv, die Menschen, die vorbeikommen, stellen ganz freundlich offene Fragen wie „Was wollt ihr? Wieso macht ihr das?“ Ich habe noch kein schlechtes Feedback bekommen.

ME: Ach schön, sehr erfreulich. Super!
Und was ist denn das Konzept von der Silberlilly?

OZ: das Konzept ist in Coronazeiten entstanden, von uns, einem kleinen Team im Kirchenbezirk. Wir haben uns einfach überlegt, wir wollen da sein, wo Menschen sind, also im besten "jesuanischen" Sinne :-) Wir können ja nicht erwarten, dass die Menschen zu uns kommen, sondern wir müssen dahin gehen, wo die Menschen sind. Und diese sind eben auf Festen und da wollten wir auch hin. Die Idee war, wir wollen mit ihnen in Austausch kommen, gar nicht mit dem Mitgliedsschein, nach dem Motto: „Hier, werde Mitglied bei der Kirche.“ – Darum geht es gar nicht, sondern darum, Interesse zu zeigen an den Menschen, offen sein und gucken, was passiert. Also im Grunde absichtslos, aber nicht ganz, weil wir natürlich in Kontakt kommen wollen und über Themen sprechen wollen, die Gott und die Welt betreffen. Und meistens, hast du vielleicht gesehen, haben wir schon mit einigen Menschen gesprochen - und das ist alles tiefgehend gewesen.

ME: Ehrlich?

OZ: Ja, schon. Sie haben fast alle über ihre Spiritualität berichtet. Häufig kamen auch Sätze wie „Ich bin ja aus der Kirche ausgetreten ..“ Aber wenn man so ein bisschen nachbohrt und fragt, warum, dann haben die Leute eher eine persönliche Kritik an Kirche, die sie dann dazu bewogen hat, kein Mitglied mehr sein zu wollen und keinen Beitrag mehr zu bezahlen. Aber religiös oder spirituell fühlen sich eigentlich die meisten. Das ist das Interessante daran!

ME: Also das heißt, die Leute differenzieren das durchaus, trennen das und dann hat das andere Gründe, dass sie vielleicht aus der Kirche ausgetreten sind.

OZ: Unterschiedlich. Manche können das differenzieren. Sie haben ein Problem mit Kirche, aber dennoch einen sehr, sehr spirituellen Bezug und merken dann im Gespräch, dass das so ist, also zweierlei.
Wir versuchen auch klarzumachen, dass es ja nicht DIE Kirche gibt, es gibt ja viele, verschiedene Formen von Kirchen und nicht nur DIE eine, gute, sondern in allen Institutionen gibt es eben viel Licht und viel Dunkel. Und darüber kann man natürlich offen sprechen.

ME: Okay. Und die Menschen, die hier so kommen, sind sie jung/ alt, bunt gemischt, Familien oder …?

OZ: Also hier auf dem Lichterfest tatsächlich sehr bunt gemischt, von Jung bis Alt, Familien, alles dabei.

ME: Wann ist die Idee entstanden? Wann ist die Silberlilly geboren?

OZ: Circa 2020 herum, als wir gesagt haben, wir wollen Kirche auf unsere Art ein Stück voranbringen. Und dann haben wir überlegt: Wie können wir das umsetzen, da zu sein, wo Menschen sind? Und dann war die Idee der Silberlilly noch nicht, sondern wir wussten erstmal, wir müssen mobil sein und dann kam die Idee konkret mit der Silberlilly nach und nach, also wie das Ganze aussehen soll und so weiter. Das war natürlich ein Prozess. Wir sind darauf auch nicht alleine gekommen, sondern haben uns dazu professionelle Hilfe geholt, und zwar vom Grünhof. Wir wollten das von Anfang an professionell angehen und deshalb haben wir das dann so gemacht. Grünhof berät ja Start-Up Unternehmen bei der Konzeptfindung, Namensfindung, Apps usw. Mit Grünhof waren wir in einem sehr guten Austausch und sind so nach und nach auf unsere konkrete Idee gekommen.

ME: Und dann war wahrscheinlich zuerst der Wohnwagen da und dann der Name oder?

OZ: Nicht ganz. Wir haben uns schnell auf einen Airstream einigen können. Zum Einen, weil er einfach geil aussieht und ein echter Hingucker ist. Daher lief die Suche nach dem Namen und einem geeigneten Airstream parallel. Wir waren dann an einem Wochenende in Hamburg und Österreich, um uns Airstreams anzuschauen. Zum Anderen kann man die Innenausstattung anderer Wohnwägen nicht einfach ausbauen, weil diese für die Statik benötigt wird. Und Airstreams – also so wie unsere Silberlilly einer ist - sind die einzigen Wohnwägen, die man ausbauen kann, ohne dass sie zusammenfallen. So kam die Idee.

ME: Und was ist die Absicht nun weiterhin mit der Silberlilly? Wie soll es in der Zukunft weitergehen? Ich habe gehört, es gab eine Pause und es lag etwas brach und es ist leider nicht so viel passiert. Und jetzt?

OZ: Leider ist das Ursprungs-Team etwas auseinandergefallen. Ich habe mich beruflich verändert, andere Kolleg*innen mussten sich leider aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Demnach sind wir jetzt in der Phase, in der wir ein neues Team aufbauen und überlegen, auf welche Locations wir uns fokussieren wollen und wir müssen die Konzeptidee konkretisieren bzw. vertiefen. Wir wollten eigentlich auch Musiker*innen miteinbeziehen, das hatten wir auch schonmal gemacht, also mit Mini-Konzerten. Und dann wollen wir auch noch mehr Ideen überlegen, mit denen wir mit noch mehr Menschen ins Gespräch kommen können. Z.B. hatten wir uns chinesische Glückskekse überlegt, in die wir statt chinesischer Sprichwörter religiöse/ christliche Verse verpacken, so als Aufhänger, dann hat man ein Thema, über das man sprechen kann. Oder wir könnten ein kahoot quiz machen zu bestimmten Themen und kommen dadurch leichter ins Gespräch. Da sind wir noch am Brainstormen. Man braucht ja verschiedene Strategien, je nach Ort und Publikum. Zum Beispiel hier auf dem Lichterfest ist soviel los, hier können wir gar nicht soviel Programm anbieten, das würde ja völlig untergehen. Deshalb haben wir heute unsere leuchtenden Engelsflügel dabei, bei denen man ein Polaroid machen und mitnehmen kann, das reicht für hier und heute völlig aus. Aber je nachdem, muss man immer gucken, wo man steht und wie man das Setting dann gestaltet. Zudem begrüßen wir immer neue Mitarbeiter*innen, sehr gerne! Heute sind ja auch einige neue Leute dabei, aber auch das muss man ja überlegen, wie man einen Mitarbeiter-Pool aufbauen kann.

ME: Danke, Oli. Das klingt alles sehr interessant, finde ich.
Im Vorhinein hatte ich auch mal kurz mit Dirk Boch (Schuldekan) gesprochen und er meinte zum Konzept und betonte auch die Wichtigkeit dabei, dass es nicht darum ginge, die Leute von einer Mitgliedschaft zu überzeugen und auch nicht „von oben herab“ Gott und die Welt erklären zu wollen – sowie Kirche das früher getan habe – sondern vielmehr da zu sein, zuzuhören, offen zu sein und sich auf alle möglichen Themen, die die Menschen mitbringen, einzulassen. Es ginge um ein Gespräch auf Augenhöhe.


OZ: Ja, das stimmt. In unserer Projekt-Findungsphase haben wir viele Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen und mit verschiedenen Hintergründen befragt. Im Grunde war da für mich der Aha-Effekt, nämlich, dass Kirche wie früher die Funktion hat, Wissen zu vermitteln und vorne jemand steht, der so laut Luther-Bild predigen und Weisheiten von sich geben muss – was sicher auch seine Berechtigung hat – aber gerade für junge Menschen nicht mehr relevant und überzeugend ist. Denn wenn sie sich für Themen interessieren, dann beziehen sie andere Quellen, um sich zu informieren. Es geht darum, denke ich, dass Menschen einen Impuls brauchen, ein Stichwort und sich dann darüber austauschen möchten. Aber die Tendenz geht weg davon, dass jemand vorne steht und mir die Welt erklärt. Dieser Trend ist vorbei.
Und das ist, was wir wollen: Austausch ermöglichen und dass wir auch sagen können, was wir als Kirche zu bieten haben und was wir glauben. Das ist das ursprüngliche Konzept mit unserer Silberlilly. Ich kenne viele Kolleg*innen, die diesen Austausch auch auf andere Weise ermöglichen. Wir haben uns eben für den Weg mit der Silberlilly entschieden.

ME: Möchtest du noch etwas Besonderes/ einen wichtigen Punkt ergänzen?

OZ: Ja. Also, die Silberlilly ist übergreifend gedacht, nicht nur für unseren Kirchenbezirk, sondern darüber hinaus. Jetzt gerade zum Beispiel kam die Silberlilly vom Bodensee zurück und ist dort in der Gegend herum getourt. Und andere Bezirke kommen auch auf die Idee, sich die Silberlilly mal auszuleihen und so den Menschen näher zu kommen. Und das ist eine super Sache, denn so müssen sie nicht den Prozess durchmachen, den unser Bezirk erarbeitet hat, sondern können das Konzept quasi einfach übernehmen und sich die Silberlilly gegen einen kleinen Beitrag ausleihen. Denn es gibt laufende Kosten, die gedeckt werden müssen, aber alles in einem Rahmen, der völlig okay ist. Und dann können andere Bezirke so erstmal ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Menschen vom Bodensee waren jetzt auf einem Festival unterwegs, was angeblich toll war, sehr weltoffen. Ich empfehle anderen Bezirken unbedingt, die Silberlilly gerne auszuleihen und auszuprobieren. Und in der Zukunft kann ich mir auch gemeinsame Projekte, also zwischen den Bezirken gut vorstellen, das fände ich toll! Den Verleih etwas zu pushen, wäre auch prima.
Und nicht zu vergessen: Unsere Ape Maria! Die Silberlilly und die Ape Maria sollen zusammen eine Oase sein. So habe ich es auch wieder am Wochenende erlebt, ein Ort zum Wohlfühlen, zum Runterkommen - gerade im Trubel und der Hektik eines Festes. Die beiden zusammen sollen ein Stück „Urlaubsgefühl“ vermitteln.

ME: Das klingt schön und sehr einladend. (Franziska Grausam, Jugendreferentin des Evangelischen Kirchenbezirks, kommt gerade dazu.)
Franzi, du bist ja ganz neu dabei im Team Silberlilly. Wie erlebst du das Ganze heute zum ersten Mal? Welche Erwartungen hattest du an diesen Tag?

Franzi Grausam: Ich hatte keinen großen Erwartungen, als ich hergekommen bin, sondern habe alles ganz locker auf mich zukommen lassen. Es ist sehr schön und ich nehme eine entspannte Stimmung wahr. Ich bin schon mit sehr vielen Menschen ins Gespräch gekommen und habe mit einigen viele Gemeinsamkeiten gefunden und hatte auch lustige Gespräche über alle möglichen Themen. Und den Besucher*innen fällt auf, dass wir den kirchlichen/ religiösen Aspekt gar nicht so zeigen, was ja auch stimmt. Ist ja eher unterschwellig, z.B. durch die Engelsflügel.
Eine Person hat mich gefragt, warum wir keine Kirchenmusik spielen. Das solle ich bitte als Idee mitnehmen, er wünscht sich das für nächstes Jahr.
Eigentlich finde ich es schön, dass man vor Allem auch mit Leuten ins Gespräch kommt, die mit Kirche nichts zu tun haben und sich dann trotzdem nett unterhält.

OZ: Gerade Menschen, die nichts mit Kirche zu tun haben, haben ja häufig ein sehr krasses Bild von Kirche. Deshalb war es auch Thema im Konzeptteam, wie sichtbar wir das machen, wo wir quasi herkommen. Wir haben dann entschieden, dass die Silberlilly mit ihrem Logo und dem Wohnwagen, Schirmen und Liegen usw. erstmal einfach nur für sich steht, also ohne das Logo der Landeskirche oder ein Kreuz oder so.

FG: Und es wird aber ja trotzdem durch die Polaroid Fotos eine Botschaft mitgegeben, sie sind gelabelt mit biblischen Versen. Das wird dann vielleicht erst später zu Hause entdeckt, aber die Botschaft ist da.
Und noch ein Highlight: Vorher war ein Papa da und wollte ein Polaroid machen mit Engelsflügeln. Und dann hat er sein Geld rausgeholt - ein Foto kostet ein Euro - und dabei hat er alle Bilder von hier gezeigt, die er in den letzten drei Jahren schon gemacht hat - im ersten Jahr gab es glaube ich noch gar keine Polaroids - und stets in seinem Geldbeutel trägt. Richtig süß.
Und dann war ein Paar da, das auch ein Bild gemacht hat und gefragt hat, ob wir nächstes Jahr auch wieder da sind :-)

ME: Ach wie schön! Das klingt ja sehr nett.
Vielen Dank an euch beide für das interessante Interview!


Hier geht es zur Website der Silberlilly

 

 

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