Warnung vor neuem Antisemitismus

Landesbischof Cornelius-Bundschuh warnt vor „verdeckten Strömungen des alten Antisemitismus, der sich mit einem neuen populistischen Nationalismus und Parolen verbindet“.

Die Erklärung im Wortlaut:

„Am 27. Januar war der Tag der Befreiung von Ausschwitz. Es ist ein Tag der Erinnerung. Wir denken an die Menschen, die aus unseren diakonischen Einrichtungen in Kork und in Mosbach verschleppt und ermordet wurden. Wir erinnern uns an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Baden, die 1940 nach Gurs abtransportiert wurden und anschließend in Vernichtungslagern ums Leben kamen.

Die Bibel ruft uns ein dreifaches „Gedenke!“ zu. Zwei gelten uns als Menschen: Gedenke der Opfer! und: Gedenke der Weisungen Gottes, der dich in die Verantwortung für die Menschen um dich herum ruft! Das dritte ist ein Gebet: Gedenke, Gott, an deine Zusagen! Lass uns nicht allein im Unheil und richte unsere Wege auf den Weg des Friedens!

Dieses Gedenken will vor Ort bei den Menschen ankommen: Die Evangelische Kirche in Baden ist deshalb sehr froh über das Mahnmalprojekt. Es lädt Schülerinnen und Schüler in allen badischen Kommunen ein, die Geschichte der Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrem Ort zu untersuchen, zu dokumentieren und ein Mahnmal in zwei Exemplaren zu gestalten. Eines wird vor Ort aufgestellt, das andere in der Jugendbildungsstätte in Neckarzimmern.

Es geht um die Geschichte in meinem Ort, in meiner Schule, in meiner Kirche, in den Betrieben meines Ortes, so dass sich das Unfassbare des Holocaust mit Häusern, Geschichten und Gesichtern verbindet. Aber es geht vor allem auch um das Heute und die Zukunft: um eine Bildung nach Ausschwitz, die Schülerinnen und Schüler ermutigt ein deutliches „Nie wieder!“ gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu formulieren.

Wir nehmen gegenwärtig bedrohliche Anzeichen von Antisemitismus in unsere Gesellschaft wahr: Da werden Stolpersteine aus den Straßen gerissen, da werden israelische Flaggen verbrannt, da werden jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen und Gemeinden offen angefeindet und bedroht. Verdeckter, aber mindestens so gefährlich sind die untergründigen Strömungen des alten Antisemitismus, der sich mit einem neuen populistischen Nationalismus und Parolen gegen „das Judentum“ verbindet. All dem müssen wir mit klaren Worten und allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten.

Mittel- und langfristig helfen gegen Pauschalisierungen und Feindbilder aber vor allem Begegnungen. Nicht nur für Jugendliche, auch für Erwachsene. Sicher in den Gedenkstätten, aber auch im Alltag, in den Schulen, den Kirchen, Rathäusern und Betrieben. Wir brauchen Foren gerade auch für Menschen, die bei uns mit ihren lange genährten Feindbildern gegen Israel zugewandert sind. Wir brauchen diesen Austausch, um Perspektiven für eine Politik zu entwickeln, die endlich einen gerechten Frieden für den Nahen und Mittleren Osten voranbringt, der das Existenzrecht Israels nicht in Frage stellt und zugleich den Palästinensern eine ernsthafte, verlässliche und lebenswerte Zukunft eröffnet.

Am 27. Januar gedenken wir an den Terror des Holocausts und schauen nach vorne. Einer der wenigen, die damals aus unserer Evangelischen Kirche in Baden widerstanden haben, war Pfarrer Hermann Maas. Alle zwei Jahre erinnern die evangelischen Kirchengemeinden in Heidelberg bzw. in Gengenbach mit einem Preis bzw. einer Medaille an ihn und ehren damit Personen oder Initiativen, die sich für Versöhnung und gegen Menschenverachtung engagieren. Die nächste Preisverleihung findet am 27. Januar 2019 in Gengenbach statt.“

 

Dr. Daniel Meier - Kirchenrat, Pressesprecher und Leiter des Zentrums für Kommunikation (ZfK) der Landeskirche

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