Ostersonntag 12.04.2020 - Predigt von Pfr. i. R. Gerhard Jost

12.04.2020- Ostersonntag

19Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. 20Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.  23Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; 24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. 25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm «alle Feinde unter seine Füße legt» (Psalm 110,1). 26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. 27 Denn «alles hat er unter seine Füße getan» (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. 28Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.                      1. Korinther 15,19-28 

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder. Vielleicht kennen Sie alle das Gefühl: "Mir ist ganz Elend zu Mute." Dann fühlen Sie sich kraftlos und matt, irgendwo ganz am Ende. Ohne Antrieb, ohne irgendeine Art von Energie. Sie haben keine Lust mehr etwas Besonderes zu erleben, sondern nur noch den Wunsch, die augenblickliche Lage, die Sie als beschissen bezeichnen, möge sich doch endlich ändern. So einen Wunsch habe ich heute, wenn ich an diese Coronakrise denke, die uns schon mehr als 4 Wochen gefangen hält. Ich kann nur bitten: Herr, mach allem ein Ende, lass Ostern in unseren Herzen und Köpfen, ja in der ganzen Welt werden. Hilf dass Deine Lebenskraft alle Kranken, alle an Leib und Leben Bedrohten erfüllt und mach dem Druck, unter dem wir alle stehen, ein baldiges Ende. 

Es geht uns elend, sagt Paulus, wenn wir behaupten: Tot ist tot.  Christus ist gestorben, im Grab geblieben, verwest, Schluss, aus! Warum sollten wir dann noch am Ostersonntag Gottesdienst feiern? Wir hätten doch überhaupt nichts Neues und Wichtiges zu sagen! Wie sollten wir denn einen trösten, der ganz am Ende ist? Wie sollten wir Hoffnung vermitteln angesichts des Sterbens? 

Wie sollten wir Mut machen, wenn mit dem Tod doch alles aus und vorbei ist? Ostern ist das Fest voller Hoffnung, weil ich weiß, dass diese paar Jahre auf der Erde nicht alles sind. Ich habe sie kennengelernt in vielen Jahren meines Dienstes, die hoffnungslos Kranken, für die die letzte Hoffnung die Gewissheit war: Ich komme ins Leben! Die hoffnungslosen Jugendlichen, die eine Bewerbung nach der anderen schrieben und immer nur Absagen kassierten. Die auf nichts mehr einen“ Bock“ hatten. 

Womit soll man denen Mut machen? Die hoffnungslosen Eheleute, die von den Scherben einer einstmals zärtlichen Beziehung stehen. Immer wieder habe ich erlebt: wer nicht hofft, der schweigt, der hört auf große Reden zu schwingen. Wer keine Hoffnung hat, der resigniert und gerät in Verzweiflung. Die lateinische Sprache drückt das sehr geheimnisvoll aus: Hoffnung, das ist die speratio, eine Kraft, die mich antreibt, desperatio, ist ohne Hoffnung und heißt wörtlich Verzweiflung. 

Wir alle kennen es gut und wissen, wie lebensnotwendig es ist, seine Hoffnung nicht zu verlieren. Sie erst macht unser Leben lebenswert und schön, schenkt ihm die nötige Qualität. Paulus ist davon zutiefst überzeugt, wenn mich meine Hoffnung nur beseelt auf dem Weg von der Wiege bis zur Bahre, dann bin ich ein ziemlich armer Zeitgenosse. 

Er wählt, um diese Situation eines Menschen, der glaubt, mit dem Tode sei alles aus, zu beschreiben, die höchst mögliche Steigerungsform, "dann sind wir die elendsten unter allen Menschen." Das heißt, der heutige Feier- und Festtag hat etwas mit jedem einzelnen von uns zu tun. Es sind nicht nur die 2 roten Ziffern auf dem Kalender, sondern diese Tage gehen mich in einem ganz hohen Maß an. Sie entscheiden darüber, ob ich ein elender, ein hoffnungsloser Mensch bin oder ob ich gewiss bin und zuversichtlich. 

Die Aussage des Apostels Paulus gehört zu den Grundwahrheiten der Bibel und des Christenlebens. Wer in Christus nur ein Vorbild für dieses Leben sieht, einen Revolutionär für die Zu-kurz-gekommenen, einen Weisen oder einen Lehrer, wer also seine Wirkung und Kunst nur auf dieses irdische Leben beschränkt, der ist der elendste unter allen Menschen. 

Wer seine Hoffnung nicht allein auf ihn setzt und keinen Trost bei ihm finden will, der verpasst das Leben. Du hockst im tiefen Elend, wenn du nicht glauben kannst, dass Christus in jeder Sekunde, auch in der Sekunde, des Sterbens, dir nahe ist und bleibt. Dieser Mensch könnte ja nur, wenn ihm nicht die letzte Lebensfreude ganz genommen ist, nur den Tod aus seinem Denken und Lebenskreis verbannen. So hat das einst der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. getan. Jedes mal, wenn sich ein Leichenzug seinem Palast näherte, befahl er den Dienern, sie mögen alle Fenster zuziehen. 

Nur nicht hinsehen, als wenn, wenn es verborgen wäre, nicht existent wäre. Das ist etwa genauso, wie ein Kind, das sich die Hand vor die Augen hält und meint nur, weil es selbst nicht sieht, könnte es auch von den anderen nicht gesehen werden. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir alle gehen auf unsere letzten Moment zu. 

Wann der uns trifft, das weiß keiner. Ob ich hundert werde oder schon in der nächsten Woche abtreten muss, das weiß allein Gott. Ich habe also noch nicht einmal meinen nächsten Augenblick in der Hand. Die Zukunft gehört mir nicht. Fragen sie mal einen beliebigen Menschen, wie er einmal Sterben möchte. Er wird ihnen ganz gewiss sagen, schnell und ohne Schmerzen. Fast jeder wünscht sich das, aber kaum 20 Prozent erleben das. 

Noch vor 200 Jahren gab es ein Kirchengebet, sowohl in der katholischen- als auch in der evangelischen Kirche, das fing an mit den Worten: "Herr, bewahre uns vor einem bösen, schnellen Tod .... " Da war also der schnelle Tod, das plötzliche Sterben, der böse Tod. 

Warum? Weil ich keine Möglichkeit habe, mich darauf einzustellen, nicht letzte Dinge zu regeln und vor allem meine Beziehung zu Gott endgültig zu regeln. Ja, der Tod ist wie eine ständige Bedrohung um uns herum und auch vor uns. Er zeigt seine finstere Macht und meine Ohnmacht ihm gegenüber. Jeder muss davon, der Millionär und der Harz IV Empfänger, der Supereinflussreiche und die I-Euro-Kraft. 

Das Sterben wird von einem sehr merkwürdigen Geheimnis umgeben. Wir alle möchten gerne mehr darüber wissen, aber zugleich leben wir, aus Angst, darüber reden zu müssen, ohne den Tod in unser Leben miteinzubeziehen, und verdrängen dieses Thema. Darum kommen wir auch kein Schritt weiter vorwärts und bewahren so eine ungeklärte Angst in uns. 

Wie eine Fanfare bläst nun der Apostel Paulus dazwischen: Nun aber ist Christus auferstanden! "Zum Fakt Tod passt nur diese Aussage: Er lebt. Wer die Wahrheit des Todes nicht wahrhaben will, der kann nicht froh werden oder kann auch keine Hoffnung schöpfen für sein Ende, wenn er diese andere Wahrheit, dass Jesus lebt und mein Leben will, nicht hört und verinnerlicht. Das trägt mich im letzten Augenblick, das trägt mich durch das ganze Leben. 

Für diese Wahrheit tritt der Apostel Paulus mit seiner ganzen Verkündigung ein, nimmt dabei Gefahren in Kauf, erträgt alle Unpässlichkeiten des Lebens, denn wenn Jesus lebt, dann erscheinen alle Dinge auf dieser Erde in einem ganz anderen Licht. Wer an Jesus glaubt, der hat Auferstehungsgewissheit oder er glaubt nicht, denn Jesus ist die Mitte der Bibel und die Mitte, der Kern unseres christlichen Glaubens. 

Gäbe es also die Tatsache der Auferstehung nicht, dann wären wir arm, elend, wie es hier heißt, ohne Sinn. Glaubt man der Werbung, dann feiern wir heute ein Frühlingsfest, das Fest der erwachenden Natur. Das kann man auch feiern, aber es bringt mir nichts. Es hat mit mir nichts persönlich zu tun, ob die Kastanie jetzt reift oder die Kirsche bereits Blüten trägt. 

Außerdem: wenn Jesus in dem Grab geblieben ist und so verwest ist, wie ich einmal verwesen werde, dann hätte es keinen Sinn, mich auch nur einen einzigen Moment länger mit ihm zu beschäftigen. Dann könnten wir unsere Kirche als Konzertraum, als Disko oder als Theater vermieten. Dann wäre jedes Wort von Jesus, was er je gesprochen hat, gelogen, belanglos und sich mit ihm zu beschäftigen reine Zeitvergeudung. So denken wir. Die Korinther aber haben ein völlig anderes Verständnis von der Auferstehung und darüber regt sich Paulus hier auf. 

Er schreibt hier: "Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden sei, wie sagen dann etliche von euch; es gibt keine Auferstehung von den Toten." Nein, die Korinther sagen nicht, mit dem Tod ist alles aus und vorbei. Das wäre ja blanker Atheismus. Sie sind ja Christen, sie glauben an Jesus, aber sie waren in ihrem Glauben derartig abgehoben und enthusiastisch, wie man es manchmal hier zu Lande auch von einigen radikal frommen Gruppen erlebt. 

Die Korinther behaupteten allen Ernstes, weil wir Christen sind, weil wir Glaubende sind und es ernst meinen, haben wir den Tod schon hinter uns. Wir haben alles, was wir brauchen. Als Christen leben wir jetzt schon in einem Status der Vollkommenheit. Wir haben nichts mehr zu erhoffen, zu erwarten, alles ist schon erledigt. 

Darüber ereifert sich Paulus. Wer so etwas behauptet, meint er, der lebt nicht mehr den Auferstehungsglauben! Bei dem ist alles in einer festen Form, tot und unlebendig. Da hat eine ganz gewaltige Akzentverschiebung stattgefunden. Diese Menschen glauben nicht mehr an die Kraft Gottes, die in Christus da ist, sondern nur noch an die Kraft ihres eigenen Glaubens oder ihrer Frömmigkeit. Für sie ist der Glaube zu einem unverlierbaren Besitz geworden und nicht mehr ein täglich neues Geschenk. Wie viele Menschen reden 2020 genauso wie die Korinther vor 1960 Jahren? Egal wie ich gelebt habe: ich komm in den Himmel, alle Menschen kommen in den Himmel! Gefragt, warum denn, antworten sie, sie hätten doch eine unsterbliche Seele in sich. Wenn das so ist, dann hätte doch Christus nicht zu sterben brauchen, geschweige denn aufzuerstehen. 

Wenn ich allein durch meine unsterbliche Seele schon zu Gott in die Ewigkeit komme, dann kann doch alles Christliche für mich nur frommer Firlefanz sein, den ich nicht brauche. Dann ist doch die Bibel, das Gebet, das Leben nach Gottes Wort, die Gemeinschaft, das Abendmahl, alles unwichtig. Merken sie, wohin das führt? Dann würden wir wie die Korinther in einem Unsterblichkeitsglauben schwelgen und bräuchten Christus als Mitte des Glaubens überhaupt nicht. 

Höchstens für dieses Leben, damit wir von einer Weisheit zur anderen gehen und damit ein wenig kokettieren könnten. Diese Haltung macht Paulus rasend. So zeigt er den Korinthern, wie es am Anfang des Menschengeschlechts war und sagt: Da ist Adam. Er war ungehorsam, so wie jeder von uns auch Gott ungehorsam ist. Der Tod ist in die Schöpfung hinein gekommen und deshalb macht Gott ihnen bewusst: du bist von der Erde genommen und wirst zur Erde werden. 

Das wird man über jeden von uns einmal sagen, wenn wir beigesetzt sind. Bei jeder Beerdigung werden wir an diesen Ungehorsam Adams erinnert, der in jedem von uns drinnenhockt, der seine Spuren bis in meinen Alltag hineinzieht. Manchmal kommt es vor, dass ein sehr begüteter Mensch beigesetzt wird. Man sieht es dem Sarg an, dass es den Angehörigen eine Menge Geld gekostet hat. Aber drin in dem Sarg läuft der gleiche biologische Vorgang ab, wie bei einem ganz armen Schlucker. Nein, sagt Paulus, du hast nichts Unzerstörbares in dir. Du stirbst ganz. Nichts, gar nichts kommt, ohne die Botschaft der Auferstehung zu glauben, in die Ewigkeit. Das ist Irrglaube. Das ist Sektiererei, wenn ihr von einer unsterblichen Seele faselt, die so gepolt sei, dass ihr auf jeden Fall weiterlebt. Ihr tragt da griechische Philosophie in die Bibel und in den Glauben ein und zerstört damit das wunderbare Geschenk, das Jesus jedem von euch macht, indem er sagt: 

"Ich lebe und ihr sollt auch leben." An ihm vorbei kommst du nicht. Die Auferstehung von den Toten ist nicht schon geschehen, wie die Korinther meinen, sondern die kommt. Stell dich darauf ein! Am Ende der Zeit wird dann offenbar, wer im Leben ist und nicht, dann wirst du dreifach überrascht sein. 

1. Wer alles bei Gott ist, mit dem Du gar nicht gerechnet hättest.

2. Wer alles nicht bei ihm ist, wovon ich ausging, dass er auf jeden Fall bei Gott ist. und 

3. Dass ich überrascht sagen kann: auch ich bin im Leben. 

Dann ist der letzte Feind, von dem Paulus jetzt spricht, der Tod, auf ewig vernichtet. Noch scheint er uns alle fest im Griff zu haben. So, dass wir bei mancher Beerdigung laut: Warum? schreien möchten. Warum so früh, warum auf diese Weise? Und wir wissen keine Antwort, die im Grunde weiterhilft, aber als Christen wissen wir, kaum hat der Tod nach uns gegriffen, kommt Christus in Sekundenschnelle und sagt: Gib ihn her. Gib sie her, diese Person gehört mir, für die habe ich mein Leben am Kreuz eingesetzt, für diesen Menschen bin ich auferstanden. Der hat mir vertraut, er kommt ins Leben. So gehören wir unserem Herrn in alle Ewigkeit hinein. So reißt uns Christus aus den Fängen des Todes. Das ist der tiefste Grund, weshalb Christsein in erster Linie in Dankbarkeit besteht. Christus hat alles für mich getan und deshalb vertraue ich mich im Leben wie im sterben, wann immer es kommt, seinen starken Armen an, bis zum letzten Augenblick. 

Wenn Christus der Erstling ist unter denen, die entschlafen sind, wie es hier heißt, dann kennt er also auch den Tod, dann kann er mich auch durch den Tod hindurch tragen, weil er den Weg ja schon mal gegangen ist. Wann ich sterbe, das ist dann egal. Hauptsache ich weiß, wem ich gehöre und er vergisst sein Eigentum in Ewigkeit nicht. Darum gesegnete Ostern.

Amen.