Alles hat seine Zeit
Ich sitze in meinem Sessel und schaue aus dem Fenster. Es regnet. Ich kann es nicht leugnen: Der Herbst macht sich breit. Es gibt die einen, die den Herbst lieben: Endlich Zeit für Tee und einem guten Buch. Und es gibt die anderen, die den Herbst nur schwer akzeptieren können. Zu denen zähle ich. Der Herbst ist nicht meine Jahreszeit. Es wird dunkler, kälter, nässer und düster. Die Blätter fallen von den Bäumen und die Welt scheint zu „sterben“. Für mich ist das oft wie Abschied nehmen, dabei hänge ich noch im Sommer fest. Ich will an den langen Sommernächten festhalten. An der Sonne, die mich wohltuend umarmt hat. Da fällt es mir manchmal schwer positiv und dankbar zu sein, obwohl ich das doch so sehr will.
Dann erinnere ich mich an eine meiner Lieblingsbibelstellen: Alles hat seine Zeit (Prediger 3,1-8).
Hier finde ich nicht nur Zeit zu lachen und zu tanzen, sondern auch Zeit, zu weinen, zu klagen und sogar zu hassen. Salomo, der Verfasser dieser Zeilen, spricht aus, was wir manchmal nicht zu denken wagen. Und dennoch: Es hat seine Zeit – und somit auch seine Daseinsberechtigung. Oft versuchen wir unsere unangenehmen Gefühle einfach zu verdrängen, als wären sie nicht da. Gott räumt ihnen dagegen Zeit ein – vielleicht weil sie wichtig sind, um zu leben, leben zu teilen, zu verarbeiten und zu heilen.
Gott schaut sie mit uns an und hält sie mit uns aus.
Und so hat alles seine Zeit:
Im Herbstwind zu tanzen und wehmütig dem Sommer nachzuhängen; die letzten Sonnenstrahlen auf sich wirken zu lassen und die Endlichkeit des Jahres- ja vielleicht auch des Lebens zu spüren. Mit dem Regen zu weinen und die gesegneten Lichtblicke im Herbst zu genießen. Abschied zu nehmen und darauf zu hoffen, dass irgendwann wieder der Frühling kommt.
Vor allem eine gesegnete Zeit wünscht ihnen,
Celina Häs
Diakonin im Schuldienst