Frühjahrsputz
Vor einigen Wochen las ich in der Zeitung „Gibt es den Frühjahrputz noch?“. Anscheinend machen immer weniger Menschen einen großen Frühjahrputz. Es gibt sogar Seminare, in denen man(n) lernt, richtig zu putzen. Das spornte mich an, nach dem Putzlappen zu greifen und für zwei Stunden die Küche in Angriff zu nehmen und Fronten, Lampen, Herd und Arbeitsflächen gründlich zu reinigen. Ganz im Putz- und Aufräummodus nahm ich mir anschließend auch noch mein Arbeitszimmer zu Hause und in der folgenden Woche mein Büro in Umkirch vor. Ich putzte dort nicht nur, sondern mistete auch gründlich aus. Mindestens zwei Mal lief ich mit einem vollen Papierkorb zur Mülltonne. Das war ein gutes Gefühl.
Dabei fiel mir auch ein Glas Bohnen in die Hände und ich musste an einen Erntedankgottesdienst denken. Ich habe damals folgende Geschichte erzählt:
Vor langer Zeit lebte einmal ein Mann, bis ins hohe Alter glücklich, zufrieden und im Einklang mit sich, mit Menschen und Tieren. Man erzählte sich, dass der Alte immer eine gute Handvoll Bohnen mit sich trug. Wenn er den Tag begann, steckte er diese gute Handvoll Bohnen in seine rechte Mantel– oder Hosentasche. Die Bohnen warteten auf Erlebnisse, kleine Momente des Staunens, des Wahrnehmens, des Glücks. Immer wenn der Alte etwas sah und staunte, wanderte seine Hand voller Dankbarkeit in die rechte Tasche, nahm eine Bohne und steckte diese in die linke Tasche. Und was sah oder hörte der Mann alles?
Das Lächeln eines Menschenkindes, fröhliches Spielen, eine besonders schöne Blume … Und so wanderte eine Bohne nach der anderen von der rechten Tasche in die linke.
Abends zog er dann die Bohnen aus der linken Tasche hervor und dachte zurück. Und wenn er auch nur eine Bohne in der Hand hielt, so war es doch wegen dieser einen Bohne ein guter Tag.
Diese Geschichte berührt mich immer wieder und erinnert mich daran, auch für die Kleinigkeiten dankbar zu sein. Kurzum steckte ich mir eine Handvoll Bohnen in die rechte Tasche. Und für den guten und erfüllenden Moment, den mir das Ausmisten im Büro beschert hatte, wanderte eine Bohne von rechts nach links.
Probieren Sie es doch auch mal aus!
Annika Nickel, Gemeindediakonin in Umkirch