Von Blättern, Bäumen, Wunden und Herzen
Von Blättern, Bäumen, Wunden und Herzen
An einem Herbsttag habe ich einen längeren Waldspaziergang gemacht. Trotz des herrlichen Wetters war ich eher trübsinnig unterwegs. Ein Todesfall im Freundeskreis beschäftige mich. Typisch November – graue Tage und nebelige Gedanken. Und doch gibt es diese „goldenen“ Herbsttage.
Auf den Wegen und auf dem Waldboden lagen viele herbstlich gefärbte Blätter. Vor kurzem hingen sie noch grün an den Zweigen. Nachdem sie von den Zweigen gefallen waren, brachten sie nun auf ihre ganz besondere Art den Waldboden zum Leuchten – jedes Blatt auf seine Weise.
An besonderen Aussichtspunkten luden Sitzbänke zum Verweilen ein. An einem besonders schönen Aussichtsplatz stand ein Baum, in dessen Rinde einige Menschen ihre Initialen und Jahreszahlen geritzt hatten. Einige schon vor vielen Jahren, Jahrzehnte zurück.
Wenn Bäume so eingeritzt werden oder Äste abbrechen, ist der Baum verwundet. Diese Verwundung versucht der Baum zu heilen. Oft kann man das an den sogenannten „Überwallungen“ (auch Kallus genannt) sehen, die sich an diesen Stellen bilden. Wie eine Narbe, die uns an eine Verletzung erinnert.
An einem Baum entdeckte ich eine Überwallung, die sah tatsächlich aus wie ein Herz! Es hat mich daran erinnert, dass wir manchmal Erfahrungen machen müssen, die wie eine Verletzung, eine Wunde sind. Zum Beispiel, wenn ein Mensch stirbt, den wir besonders liebhatten, der uns „ans Herz gewachsen“ war. Zurück bleiben Erinnerungen, Bilder, Geschichten … Und vielleicht ist es dann so wie bei dem Baum: Dort, wo die Verletzung war, entsteht eine Überwallung wie dieses Herz.
Ich wünsche Ihnen, dass dort, wo Sie Verwundungen und Verletzungen erleben mussten, eine Umwallung in Herzform wachsen kann, die das Kostbare einschließt und Ihr Lebensbaum weiterwachsen kann.
Herzlich und mit guten Wünschen grüßt
Joost Wejwer
(ehemals „Profil“-Referent für Evangelische Kitas im Kirchenbezirk Breisgau-Hochschwarzwald)