Gebet für die Einsamen

ANSPRACHE-aktuell 21. April 2020

Manche sind in dieser wie verschlossenen Zeit noch einmal zusätzlich ausgeschlossen: Kranke, Menschen in Heimen, Verstorbene und Trauernde. 

Wir brauchen, dringender als zuvor, die Kraft des Gebetes – unseres Gedenkens vor Gott. (Die Ansprache schließt mit Gebet und Fürbitte.)

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Gebet für die Einsamen

1.

Es ist, als stehe die Zeit still, als sei sie gefroren. Zwar gibt es seit vergangenen Montag kleine Lockerungen im stark eingeschränkten alltäglichen Leben, aber vieles steht weiter still. Vor allem an den Abenden und in der Nacht liegt eine ungewohnte Stille über den Städten.

Wir erleben eine Zeit, die wir uns vor sechs Wochen noch nicht einmal vorstellen konnten; eine gleichsam eingefrorene Zeit. Die einen ertragen diese Zeit lässig, fast gleichmütig – andere aber kommen beinahe täglich an die Grenzen ihrer Geduld. Ein verschlossenes Land bleibt auch dann oft unvorstellbar, wenn wir es leben müssen, wenn wir uns darin bewegen und zugleich überlegen müssen: Dürfen wir das jetzt? Geht das, was wir uns gerade wünschen? Ist dies oder das eigentlich erlaubt?

2.

Etwas in dieser Zeit besorgt manche Menschen bis zur Unerträglichkeit. Es ist die Vereinsamung derer, die keinen Besuch mehr bekommen dürfen: die Alten in den Heimen, die Kranken in den Krankenhäusern – und die, die gestorben sind und von nur wenigen Menschen zum Grab geleitet werden dürfen.

Das hätten wir Menschen uns im schlimmsten Fall nicht ausdenken wollen: Wir dürfen die Einsamen, wir dürfen die Verstorbenen kaum oder gar nicht begleiten; wir müssen ihnen ihre Würde versagen um des Wohles aller Menschen willen. 

Das können wir vielleicht verstehen, aber es greift doch unser Herz immer wieder an. 

3.

Wir brauchen, dringender als zuvor, die Kraft des Gebetes; unseres Mitfühlens und Gedenkens vor Gott. Wenn unsere Füße und Hände die Menschen nicht mehr begleiten dürfen, müssen unsere Herzen es umso mehr tun. Niemand darf ohne Gebet bleiben, ohne unsere fürsorgliche Fürbitte – ob wir die Menschen und ihre Angehörigen nun kennen oder nicht. Wir haben jetzt die Zeit; und wir haben die Kraft dazu. 

Darum beten wir für sie und für uns:

Vater im Himmel, wir empfinden die Last dieser Wochen.
Unser Herz ist bedrückt, wenn wir an Einsame und Sterbende denken. 
Manchmal erfühlen wir ihre Ängste.

Wir gedenken der Menschen, die ihre Liebsten nur von ferne sehen.
Wir gedenken der Menschen, die ohne ihre Lieben sterben.
Wir gedenken der Menschen, die ohne ihre Freunde begraben werden.

Dir befehlen wir alle Menschen an, die krank sind, die sterben, die um Menschen trauern.
Sei du ihnen, Vater im Himmel, der gute Hirte im dunklen Tal.
Nimm diese Menschen in deine Arme; führe sie in dein ewiges Reich;
in dein Reich ohne Schmerz und ohne Tränen. 

Dein Reich komme. Amen.

Michael Becker 
mbecker@buhv.de