Lätare 22.03.2020 - Corona-Predigt ohne Gemeinde von Pfr. i. R. Gerhard Jost

Für den Corona- Sonntag Lätare am 22.3. statt einer Predigt in der Kirche

 

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.                                            Joh.6, 47 - 51 

Liebe Gemeinde, es gibt Menschen, die hat man auf Anhieb gern. Vielleicht kennen Sie auch so etwas. Man sieht sich zum ersten Mal, man spricht ein paar Worte miteinander und man merkt, der andere, der ist echt. Der ist ehrlich, auf den kann man zählen, ich glaube, mit dem könnte ich. Das geschieht selten und darum ist das so kostbar, wenn sich zwei Menschen ganz spontan füreinander aufschließen. 

Überlegen Sie einmal, mit welchen Zeitgenossen Sie so spontan Kontakt bekommen haben. Ich sehe ihn jedenfalls noch vor mir, wie er zum ersten Mal zum Gottesdienst kam. Ein Typ wie Arnold Schwarzenegger, ein Mensch von der Szene. Rauschgift, Alkohol und Sex waren für ihn keine Fremdworte. Er betrat die Kirche mit seiner Freundin, sie kam aus dem gleichen Millieu. Zum ersten Mal nach über zehn Jahren hörten sie wieder Orgel, sahen sie wieder einen Pfarrer in Aktion. Mit einem langen Mantel, der so vor 40/50 Jahren modern gewesen wäre und der die Spuren des Gebrauchs deutlich trug, latschten sie in die Kirche rein. Sie sangen nicht mit, weil sie die Lieder nicht kannten, beim Gebet erhoben sie sich nur zögernd. Dann traute ich meinen Augen nicht. Nach der Predigt fand das Abendmahl statt und sie kamen nach vorne zum Altar, stellten sich wie selbstverständlich in die Reihe der Gläubigen hinein, die adrett mit Anzug und Kostüm da vorne standen, sie, die so aussahen, wie zwei Lumpensammler. Der Geruch, den sie verbreiteten, war auch nicht der allerfeinste und die Haare haben sicherlich über Jahre keinen Friseur und über Monate sicherlich auch kein Wasser gesehen gehabt. Nun standen sie da. 

Was ging in denen vor, habe ich mir gedacht, dass sie jetzt in dem Gottesdienst zum Abendmahl nach vorne kommen? Ich merkte es den Abendmahlsgästen an, ein bisschen unruhig waren sie schon und guckten, wer das denn wohl sei. Da standen Bürgerliche in wohlgeordneten Verhältnissen neben zwei Menschen, die ganz offensichtlich ganz chaotisch lebten. Der Gottesdienst war fertig, ich ging zur Tür, verabschiedete mich von der Gemeinde. Einige sagten; "Auf Wiedersehen", andere sagten: "Vielen Dank für diesen Sonntagmorgen" und dann kam er. "Ich bin der Uwe. Das ist echt stark mit eurem Jesus" und haute mir eins auf die Schulter, dass mir schier das Kreuz zerbrach. Da wurde mir klar, der Uwe hat von dem Gottesdienst mehr verstanden als alle anderen, die in der Kirche waren. Seine Freundin stellte sich mir auch vor als Sabrina, die ich vor 12 Jahren einmal im Religionsunterricht hatte in Müllheim. Beide waren Jesus auf die Spur gekommen. Beide wussten, wenn es einen neuen Lebensinhalt für sie gibt, dann nur: Christus. Aber die Kraft dazu hatten sie ganz offensichtlich nicht und spürten, die muss aus einer anderen Quelle kommen. 

Meine Frau und ich schlossen die beiden gleich ins Herz. Beide ließen sich an einer Bibelschule ausbilden und wurden Missionare in Peru unter den Indianern. Acht Jahre machten sie diese Arbeit. Dann machte das Klima ihnen mehr und mehr zu schaffe. Uwe lernte um, wurde Krankenpfleger im Herzzentrum und ist leider viel zu früh vorletztes Jahr mit gerade 60 Jahren gestorben.

Beide haben seit dem ersten Gottesdienstbesuch erlebt und gelernt, wie wahr das ist, was Jesus hier in dem Text sagt: "Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben". Das klingt so einfach! So einfach, wie wenn jemand fragen würde, wieviel ist denn zwei und zwei? Die Antwort kann man nachts im Traum sogar daher sagen. Aber so einfach scheint das wohl nicht zu sein. Denn wir haben, vielleicht manche jedenfalls, mit dem Glauben so unsere Müh und Not. Spontanität ist uns suspekt; sie riecht nach Sektiererei. Wer auch immer mit dem Glauben Probleme hat - und ich fürchte, er macht es sich dann wahrscheinlich selbst zu schwer -, dem kann ich sagen: Nach zehn Semestern Theologiestudium kann ich nur bekennen: mich haben diese zehn Semester nicht näher zum Glauben gebracht. 

Da ging es oft so kompliziert zu. Oft so zersetzend. Oft so gewichtig, dass mir manchmal die Lust vergangen wäre weiterzumachen. Mein Glaube lebt nicht von dem im Studium Erlernten, sondern von Jesus Christus allein. Von ihm lebt er. Das möchte ich, solange ich lebe, in jedem Gottesdienst deutlich machen. Beim Glauben geht es nicht um den Kopf, sondern um eine Willensentscheidung, ums Herz. In dem Wörtchen "Glaube" steckt das Wörtchen "Geloben" drin. Und zum Geloben gehören immer mindestens zwei, die sich dann etwas versprechen. 

Zwei, die sagen: Wir wollen zusammenhalten, wir wollen einander treubleiben. Jetzt lese ich in der Bibel, dass Christus und dass Gott mir geloben: Ich verlasse dich, Mensch, nicht, was auch immer kommen mag, ich stehe zu dir. Ich gehe mit dir durch dick und dünn. Ich gehe mit dir die allerschwersten Wege und lasse dich auf denen nicht allein. Wo auch immer du bist, ich bin an deiner Seite, so wie der Schatten, wenn die Sonne scheint. Jetzt bin ich dran. Jetzt soll ich nämlich antworten, denn Treue lebt ja vom Gespräch mit dem Gegenüber. Dieser Gott hat mir eine Zusage gegeben, längst bevor ich überhaupt reden konnte. Das macht zum Beispiel die Taufe deutlich. Dieser Gott kommt mir in allen zuvor. Er ist immer der erste. Jetzt könnte meine Antwort sein: "Ja, Herr, ich will dir auch geloben bei dir zu bleiben, treu zu sein". Und die Zusage, die er darauf nun gibt, ist ganz eindeutig, so sagt es der Text: " der hat das ewige Leben". 

Das ist eine Tatsache, ein Fakt, ohne "Wenn und Aber". Das gilt. Das ewige Leben ist nicht an meiner Leistung gebunden, auch nicht an mein frommes Leben, sondern an SEIN Wort und sonst nichts. Ewiges Leben heißt: Es gibt keinen Augenblick, wo ich von Gott getrennt bin. Keinen Augenblick! Selbst der Tod kann mich nicht aus seiner Hand herausjagen, dann hält ER mich umso fester. Auch in der schwersten und einsamsten Stunde ist keiner allein und diesem Gott kann ich alles sagen. Dem kann ich alles hinwerfen, wie es um mich steht. Er versteht mich. "Wer glaubt", so sagt es Jesus, "der braucht nicht in Gottes Gericht". Er braucht keine Furcht zu haben, am Ende von Gott abgewiesen zu werden. Gottes Zusage ist immer klarer und fester als alle meine Zweifel, die ich mit mir rumschleppe. Aber hier geht es nicht um irgendeinen Glauben, nicht um die Pflege meiner bürgerlichen Christlichkeit, sondern um eine lebensvolle Beziehung zu IHM. Dass er vorkommt in meinem Leben, dass er der Motor meines Lebens ist, der Taktgeber sozusagen. Dass sein Wort wichtiger ist als die Tageszeitung morgen früh. Jesus begründet das so: Er sagt "Ich bin das Brot des Lebens". Ich hoffe, Sie haben alle schon gefrühstückt, sonst wäre es schwierig, wenn wir nachher beten und Sie müssten stehen, denn dann kippen Sie ja um, weil der Kreislauf dann bergab geht. 

Wenn Sie sich haben heute Morgen sattessen können, dann sind Sie glückliche Menschen, denn 22 Prozent auf dieser Erde können sich nur sattessen. 22 Prozent der Menschheit! Viele sterben Tag für Tag an Hunger. Aber eines wissen Sie genau so gut wie ich: In einer Stunde, in zwei oder drei, je nachdem, wie lange das Frühstück zurückliegt, wird der Hunger wieder kommen. Ein Kribbeln in der Magengegend. Das Brot des Frühstücks hält nicht für den ganzen Tag, geschweige denn für eine Woche. Unser Hunger wird uns nachher beweisen, dass der Magen wieder etwas braucht und bei den Babys sowieso. Sie schreien dann, bis dass die Mutter rennt und Nahrung gibt. Unser Hunger also weist uns darauf hin, dass wir auch noch von einem anderen Brot leben und da sagt Jesus: "Ich bin das Brot des Lebens". Er meint, so wie du jeden Tag aufs Neue spürst, dass du Brot brauchst, dass du Lebensmittel brauchst, so sollst du spüren, dass du mich brauchst. Denn ich bin das Brot des Lebens, dein Mittel zum Leben, für dich will ich ganz wichtig sein. Ich will aus deinem Leben etwas machen, ich will dir Kraft und Anstoß und Stärke geben, die über einen Tag hinausreicht. Ja, sie reicht bis ins ewige Leben hinein. Leben, das ist mehr als einatmen und ausatmen, mehr als schlafen und arbeiten. 

Wenn Sie sich einmal die Gesichter der Menschen anschauen -aus wie vielen Gesichtern von Menschen, gerade von jungen Menschen, spricht Leere und Sinnlosigkeit, so ein richtiges "Null-Bockgesicht". Ich denke da an einen Mann in den besten Jahren, der hat Zahlen im Kopf, der hat Macht und Karriere im Kopf und wundert sich, dass er keinen guten Freund hat, mit dem er über alles reden kann. Ich denke an eine alte Frau, die in ihrem Gesicht vom Erleben, vom schweren Erleben gezeichnet ist und die unter einer ganz bestimmten Schuld ihres Lebens litt und nicht wusste, wohin damit. Ihnen allen gilt: Jesus Christus ist dein Lebensmittel. Der möchte aus meinem Leben etwas machen, dass das Leben wirklich lebenswert ist. Dass ich Inhalt, dass ich Basis, dass ich Sinn hineinbekomme. Darum feiern wir, wenn keine Corona-Krise mehr ist, wieder  Gottesdienst. Darum kommen wir dann wieder zusammen. Um uns neu auszurichten auf IHN. Wenn Ihr ein Auto habt, dann müsst Ihr, wenn Ihr viel fahrt, mindestens einmal die Woche tanken. Wer das nicht macht, dem bleibt der Karren irgendwann einmal stehen und fährt nicht mehr weiter. Ein Mensch, der nicht an Gottes Tankstelle zapfen geht, geht in seinem Lebenssinn auf die Dauer ganz sicher kaputt, oder er lebt ein Leben nach dem 08/15 Stil. Er wird gelebt, der lässt sich von der Masse treiben. Deswegen wünsche ich es Euch allen, ihr jungen Leute, und Ihnen, der ganzen Gemeinde, dass Sie das Gefühl dafür bekommen, dass dieses eine Leben, das wir haben, mehr sein kann. Da bietet sich dieser Herr uns an: "Ich will deine Mitte sein, lass mich ran", sagt er. 

Amen.